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Steinbachstraße 64, 66424 Homburg +496841756213 info@ogv-erbach.de Dienstags: 15 bis 18 Uhr

Vielfalt im Pestalozzigarten

Geschrieben von unserem Baumwart Kurt Kuhn

Der Auftrag war klar: Der Idee vom Pestalozzigarten sollte Rechnung getragen werden und es sollten Sorten ausgewählt werden, die auf dem vorhandenen Standort gedeihen, etwas schön blühendes fürs Auge im Frühjahr, etwas für Insekten, etwas für Naschkatzen, etwas für die Kelter und auch etwas fürs Maischefass. Wildobst sollte auch dabei sein. Mit synthetischen Mitteln möchten wir nicht eingreifen!

Das Standortklima ist durch die Nähe zu unserem Vereinsgarten bestens bekannt, leider zugig und kalt. Der Boden ist vorher saniert worden, aber der Untergrund ist sandig. Das Spektrum der Sorten war dadurch begrenzt.

Die Menschen begegnen sich manchmal zaghaft, aber auch offenherzig.
Die Obstsorten begegnen sich ganz bestimmt vorurteilsfrei. Wir wollen das beweisen!

Den weitesten Weg bis zu uns hat die russisch-ukrainische Apfelsorte „Kaiser Alexander“ zurückgelegt, sie ist seit dem 17. Jahrhundert in Europa bekannt. Sie ist anspruchslos, robust gegen die wichtigsten Krankheiten und für raue Lagen bestens geeignet.
In diesem Sinne habe ich auch die anderen Sorten ausgewählt.

Etwas näher ist da die Siebenbürgische Sorte „Batullenapfel“ entdeckt worden, sie ist seit etwa 1840 bekannt und war vor mehr als Hundert Jahren auch im Elsass weit verbreitet.

Aus Böhmen kommt nicht nur die Musik, sondern es kommen von dort auch - ausnahmsweise für den Menschen roh essbare - Vogelbeersorten in unseren Garten der Begegnung.

Und schon sind wir in näher bekannten Regionen angekommen:
Der „Spätblühende Taffetapfel“ kommt aus Hohenheim bei Stuttgart und findet seit 1860 seine Verbreitung in Deutschland. Die Kirschsorte „Dollenseppler“ stammt aus dem südlichen Schwarzwald und ist, mit Jahrgang 1960, der jüngste Teilnehmer an dem Erbacher Treffen der Sorten.
Der „Purpurrote Cousinot“ (1874) überrascht mit rotem Fruchtfleisch.

Andere Gäste in unserem Garten haben ihre Herkunft in die Sortenbezeichnung eingebrannt, wie die „Biesterfelder Renette“ (1905),
der „Freinsheimer Taffetapfel“ (19. Jhd.),
der „Schöner aus Nordhausen“ (1810),
der „Schöner aus Herrnhut“ (1880, kein Zaubertrick!),
oder die „Kandeler Zuckerzwetsche“.
Letztere war im Herkunftsgebiet und in Deutschland schon ausgestorben und musste wieder heimgeholt werden.

Über die Pfälzer werden im Saarland gelegentlich Witze gemacht, wer aber eine Frucht der Apfelsorte „Grasblümchen“ (1864, Sickinger Höhe) in die Hände bekommt, wird aus ganz anderem Grunde ein lächelndes Gesicht haben.
Krachen wird es ganz bestimmt… wenn wir auf die köstlichen Kerne der „Krachmandeln“ beißen werden.

Ohne Vertreter aus Frankreich geht es nicht: Kein Schelm ist, wer bei der „Metzer Mirabelle“ an ein edles Tröpfchen denkt! Weniger bekannt ist hingegen die, ebenfalls aus dem Metzer Raum stammende, Apfelsorte „Graue Herbstrenette“ (19. Jahrhundert) mit lederartiger Schale über würzigem Fruchtfleisch. Die „Oullins Reneklode“ (frühes 19. Jhd.) wurde wegen ihrer Eignung für raue Standorte ausgewählt.

Die Schweiz hat mit dem „Berner Rosenapfel“ (1865) einen würdigen Vertreter, Kinder naschen gerne an den Früchten dieser Sorte.

Aus den Benelux-Ländern hat sich auch ein Botschafter eingefunden. Er ist seit dem 17. Jahrhundert unter der Sortenbezeichnung „Rheinischer Winterrambur“ bestens bekannt.
Aus Holland kommt die Apfelsorte „Roter Bellefleur“. Sie ist seit etwa 1760 bekannt und so breitbandig geeignet, dass sie in meinem Sortenbuch ein fest verklebtes Lesezeichen hat.

Gastgeber in unserer Stätte der Begegnung ist die Apfelsorte „Gartenmeister Simon“.
Damit wollen wir unserem hochverdienten Ehrenvorsitzenden unsere Dankbarkeit für seine jahrzehntelange Tätigkeit im Obst- und Gartenbauverein Erbach zum Ausdruck bringen!
Ein paar Zufallssämlinge im Ortsbereich Homburg-Erbach werde ich mir noch genauer ansehen. Als Entdecker darf ich der neuen Sorte eine Bezeichnung geben und werde ggf. noch den einen oder anderen Familiennamen aus Erbach hinzuziehen. Im Garten der Begegnung finde ich ganz bestimmt ein Plätzchen für die erste Nachveredlung.

Beim offiziellen Spatenstich wurde die „Große Schwarze Knorpelkirsche“ gepflanzt. Sie ist seit 1540 bekannt und in ganz Deutschland verbreitet. Ich überlasse es dem Leser dieser Zeilen darüber nachzudenken, welche Probleme und Interessen die Menschen in jener Epoche hatten. Sicher ist, die Früchte dieser Sorte haben damals schon geschmeckt und sie finden selbst im globalisierten Supermarktzeitalter noch anerkennende Geschmacksnerven.

Der vorerst letzte von mir gepflanzte Baum kam am Abend des 25.März 2014 dran, eine seit dem 18. Jahrhundert bekannte Kirschsorte. Ein etwa sechs Jahre junger Herr war an meiner Tätigkeit ganz besonders interessiert. Ich habe ihn gefragt, ob er mir helfen möchte.
Ja, er wollte!
Zum Dank und zu seiner Erinnerung habe ich ihm das Sortenetikett mit dem Aufdruck „Haumüllers“ mitgegeben. Er hat mir versprochen, es als Lesezeichen aufzubewahren.
Na, wer zweifelt denn an der Zukunft des Projektes?
Die Jugend möchte helfen und im parkähnlichen Garten können sich neben den Obstsorten auch alle Generationen der Einwohner begegnen.
Für Sitzgelegenheiten ist gesorgt, Schmetterlinge und Singvögel haben die Einladung schon angenommen und wir dürfen nach einer kleinen Geduldsprobe auch ein wenig naschen.

 

Straßenansicht des Vereinsheims

Öffnungszeiten

Gaststätte:

Sonntags: 10 bis 13 Uhr*
und jeden ersten und dritten Freitag im Monat: 18 bis 23 Uhr (Sommerbiergarten bis 22 Uhr)

*(An Ostern und Pfingsten ist am zweiten Feiertag geöffnet, an Neujahr ist geschlossen.)

Verkauf:

Dienstags: 15 bis 18 Uhr

Adresse

Obst- und Gartenbauverein Erbach e.V.
Steinbachstraße 64
66424 Homburg

(06841) 756213
info@ogv-erbach.de
Di: 15.00 - 18.00